Auch ohne persönlichen Kontakt Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung zu einer sexuellen Handlung durch „bloße“ Drohung mit der Veröffentlichung von Nacktbildern über Facebook, Instagram und Co.
Das OLG Hamm hat in einem aktuellen Revisionsurteil vom 09.04.2019 (3 RVs 10/19) einen Freispruch des Landgerichts Bielefeld mit der Begründung aufgehoben, dass dieses die Strafbarkeit des Versuchs einer Nötigung zu einer sexuellen Handlung nach § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB zu Unrecht abgelehnt habe.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat ein Täter die nach § 22 StGB für den Versuchsbeginn maßgebliche Schwelle regelmäßig überschritten (sog. unmittelbares Ansetzen), wenn er bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht hat.
Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte der Zeugin gedroht, die von ihr an ihn übersandten „Nacktbilder“ bei Facebook zu veröffentlichen bzw. diese auszudrucken und in ihrer Schule aufzuhängen, um sie zur Vornahme der von ihm gewünschten sexuellen Handlungen zu veranlassen. Dadurch habe er bereits das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Nötigungshandlung des § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB verwirklicht, ohne dass es überhaupt zu einem persönlichen Kontakt zwischen den Beiden gekommen war.
Das OLG Hamm ist der Auffassung, dass sich die Zeugin durch die Nötigungshandlung des Täters bereits massiv unter Druck gesetzt fühlte und damit ihre sexuelle Selbstbestimmung zumindest unmittelbar gefährdet gewesen sei.
Dass die Zeugin den Angeklagten noch nicht zu Hause aufgesucht und sich damit noch nicht in seinen unmittelbaren Wirkungsbereich begeben hatte, ist für das OLG Hamm in diesem Zusammenhang nicht entscheidend.
Das OLG Hamm hat in der hier vorliegenden Konstellation eine erste obergerichtliche Entscheidung getroffen. Ob sich die anderen Obergerichte dem anschließen, bleibt abzuwarten.
Der Bundesgerichtshof bestätigte allerdings bereits mit Beschluss vom 05.03.2013 (5 StR 25/13) ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken durch das der damalige Angeklagte u.a. wegen versuchter Erpressung in zwei Fällen verurteilt worden war. Er hatte versucht, die Zahlung eines Geldbetrages durchzusetzen, indem er Frauen gedroht hatte, die von diesen an ihn übersandten Nacktfotos im Internet zu veröffentlichen.
Fazit:
Die generelle Empfehlung, den Austausch von Nacktbildern und Nacktvideos möglichst zu vermeiden, um Missbrauchsmöglichkeiten wie im vorliegenden Fall oder auch im Rahmen sog. Racheporno bzw. revenge porn von vornherein auszuschließen, gilt uneingeschränkt. Die Praxis zeigt allerdings, dass sich das Herstellen und die Weitergabe von Nacktbildern nach wie vor großer Beliebtheit erfreut.
Die persönlichen Folgen für Personen, denen mit Veröffentlichung gedroht wird oder zu deren Nachteil diese Drohung sogar umgesetzt wird, sind für jeden leicht nachzuvollziehen.
Auch dem Täter drohen empfindliche Folgen. Auf der einen Seite sind dies die zivilrechtlichen Folgen wie Inanspruchnahme auf Unterlassung, Löschung und Zahlung einer Geldentschädigung. Auf der anderen Seite zeigt das vorliegende Urteil auch drastische strafrechtliche Folgen auf, die denjenigen drohen können, die freiwillig erlangte Nacktbilder entgegen der Einwilligung und Zweckbestimmung des Versenders oder der Versenderin einsetzen, denn die Nötigung nach § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB hat einen gesetzlichen Strafrahmen von mindestens sechs Monaten bis zu fünf Jahren.